Schnell mal beim Autofahren eine WhatsApp ins Handy tippen und schon ist es passiert: Ablenkung am Steuer ist Schätzungen zufolge Ursache für jeden zehnten Unfall. Zu diesem Ergebnis kommt eine repräsentative Online-Umfrage des Forschungsinstituts infas Quo im Auftrag des Versicherers DA-Direkt. Viele Autofahrer unterschätzen die Gefahr. Denn wer bei einer Geschwindigkeit von 50 km/h nur zwei Sekunden lang aufs Handy oder Navi schaut, legt fast 28 Meter im Blindflug zurück.
Tablet-PC, Smartphone, Podcast, Social Media: Ablenkungen lauern überall
Am häufigsten lassen sich Autofahrer vom Smartphone ablenken. 42% aller Befragten gab an, während der Fahrt das Smartphone zum Telefonieren oder sogar zum Posten von Nachrichten und Bildern auf Social Media zu nutzen. 37% sind durch Podcasts und Hörbücher abgelenkt. Was an sich nicht so gefährlich ist, wenn man es nur hört und nicht das Gerät bedient, ist es vergleichbar mit normalem Radiohören. Auch die Bedienung von in vielen Autos verbauten Systemen wie Bordcomputer oder Head-Up-Displays lenken Autofahrer ab.
Es muss aber nicht immer ein technisches Gerät sein. Auch scheinbar harmlose Dinge lenken die Aufmerksamkeit der Autofahrer weg von der Straße. So kommt die Studie zu dem Ergebnis, dass Flirten während der Fahrt fast jeden zehnten Autofahrer ablenkt (9 Prozent). 11 Prozent gaben an, dass Essen oder Trinken während der Fahrt für die Ablenkung verantwortlich sind.
Beobachtungsstudie der Uni Braunschweig
Einer anderen Studie zufolge ist die Anzahl der Autofahrer, die durch die Bedienung des Smartphones während des Autofahrens ein ernstzunehmendes Verkehrsrisiko darstellen, erschreckend hoch. 4,5 Prozent der in dieser Studie beobachteten Autofahrer waren mit ihrem Smartphone beschäftigt.
Gemäß dieser Studie sei das Unfallrisiko durch das Tippen auf dem Handy während der Autofahrt sechs- bis zwölfmal höher.
Im Rahmen ihrer Bachelor-Arbeiten hatten drei Studentinnen in Braunschweig, Hannover und Berlin insgesamt 12.000 zufällig passierende Fahrzeuge beobachtet. Es wurde festgestellt, dass davon rund 13 Prozent beim Fahren abgelenkt waren, die Mehrzahl durch das Tippen auf dem Smartphone. Deutlich weniger Autofahrer waren während der Beobachtungsphase mit Rauchen, Telefonieren, Trinken oder Essen beschäftigt. Vor allem jüngere Autofahrer tippten beim Halt an Kreuzungen oder auch während der Fahrt auf dem Mobiltelefon. Ein Unterschied zwischen Männern und Frauen konnte vom Team nicht beobachtet werden.
Bei Handyverstößen am Steuer drohen hohe Bußgelder
Auch der Gesetzgeber hat reagiert und bereits 2017 die Strafen für Handyverstöße am Steuer verschärft. Telefonieren am Steuer kostet den Autofahrer heute 100 Euro und einen Punkt in Flensburg. Sämtliche andere Funktionen von Mobil- oder Autotelefonen darf man als Fahrer nicht verwenden. Also z.B. keine Textnachrichten schreiben oder lesen, Anrufe ablehnen oder einfach nur auf dem Display nach der Uhrzeit schauen. Das gilt seitdem für alle elektronischen Geräte, die der Kommunikation, Information oder Organisation dienen. Damit sind in erster Linie Tablets, E-Books, Navigationsgeräte, Diktiergeräte oder i-Pods gemeint.
Smartphone, Tablet & Co. dürfen Sie nur während der Fahrt benutzen, wenn Sie sie nicht in der Hand halten, sondern diese sich in einer Halterung befinden.
Aber auch dann ist Vorsicht geboten: Sie dürfen nur kurz auf das Gerät hin- und vom Verkehrsgeschehen wegblicken und auch nur, soweit es die Straßen-, Verkehrs-, Sicht- und Wetterverhältnisse erlauben.
Wenn Ihr Kraftfahrzeug steht und Sie den Motor vollständig ausgeschalten haben, dann dürfen Sie aber Mobiltelefone & Co. in die Hand nehmen und benutzen.
Übrigens gilt das Verbot auch für Fahrradfahrer.
Mehr Verbote oder besser eine ordentliche Halterung?
Autofahrer unterschätzen die Gefahren, die von Ablenkung ausgehen. Unserer Auffassung kann aber nicht alles, was für Ablenkung sorgt, verboten werden. Autofahrer sollten viel mehr für die Gefahren, die von Smartphones und Tablet-PCs ausgehen, sensibilisiert werden. Außerdem sollten technische Geräte in Fahrzeugen leicht und schnell zu bedienen sein. Mit einer stabilen Halterung für Ihr Smartphone oder Tablet-PC sind Sie auf der richtigen Seite.
FAQs zum "Handy"verbot
Welche elektronischen Geräte umfasst das Verbot?
Sämtliche Smartphones aber auch alle anderen Handys, Smartphones, Autotelefone, Tablet-Computer, Touchscreens, elektronische Terminplaner, E-Book-Reader, MP3-Player, Personal Computer, DVD- und Blue-Ray-Player, Smartwatches, Notebooks, Laptops, Diktiergeräte, Navigationsgeräte, Fernseher, IPods und Abspielgeräte mit Videofunktion und Videobrillen (Virtual-Reality-Brille oder Google-Glass-Brille). Die Aufzählung der Geräte im Gesetz ist aber nicht abschließend und soll nur verdeutlichen, was unter elektronischen Geräten, die der Kommunikation, Information und Organisation dienen, zu verstehen ist.
Darf man die elektronische Einparkhilfe oder den Rangierassistenten weiter nutzen, wenn dafür doch eine längere Blickzuwendung notwendig ist?
Ja, sofern dies mit Schrittgeschwindigkeit erfolgt. In diesen Fällen darf auch länger ein Bildschirm oder Head-up-Display beobachtet werden.
Darf man eine SMS lesen oder im Internet recherchieren?
Nein. Da dies mit einer „kurzen“ Blickzuwendung nicht möglich ist, ist das Lesen von Kurznachrichten oder die Nutzung anderer Multimediaangebote (z. B. Internet, Fernsehen) verboten.
Wie lang ist eine „kurze“ Blickzuwendung?
Hierzu macht der Gesetzgeber keine Angaben. Deshalb müssen langfristig Gerichte dies für den Einzelfall bestimmen.
Wie sieht es bei der Verwendung von Funkgeräten aus?
§ 52 Absatz 4 StVO regelt, dass das Verbot für Funkgeräte ab dem 1. Juli 2020 gilt.
Was gilt, wenn der Motor abgeschaltet ist?
Dann darf man elektronische Geräte ohne Einschränkung verwenden und dafür aufnehmen. Das gilt aber nicht, wenn der Motor nur über die Start-Stopp-Funktion ausgeschaltet ist.
Was gilt für Linienbusse an Haltstellen (Zeichen 224)?
Fahrer von Linienbussen dürfen den Bildschirm auch bei laufendem Motor nutzen, wenn sie an der Haltestelle stehen, weil die Benutzung eines Bildschirms notwendig ist für den Verkauf von Fahrscheinen oder das Erteilen von Auskünften.
Was gilt für die Polizei und Einsatzkräfte?
Das Verbot gilt grundsätzlich auch für die Polizei. Ausnahmsweise kann/darf der Polizeibeamte ein Handy aber benutzen, wenn dies zur Erfüllung von hoheitlichen Aufgaben dringend geboten ist (vgl. § 35 der StVO).
Kleine Rechtsprechungsübersicht zum Handyverbot
Funktioniert das Handy noch?
Auch wenn man nur eine Funktionstaste betätigt, um zu prüfen, ob das Handy nach dem Herunterfallen noch funktioniert, ist das eine Benutzung im Sinne des § 23 Abs. 1a StVO (KG Berlin vom 14.5.2019).
Handy kühlen
Wer ein heiß gelaufenes Handy vor die Kühlung im Pkw hält, verstößt gegen das Verbot, auch wenn er über eine Freisprechanlage telefoniert, vor allem weil er nicht beide Hände für das Fahren frei hat (KG Berlin vom 13.2.2019)
Laptop auf dem Schoß
Wer an einer Ampel einen Laptop auf den Schoß stellt und dann beim Losfahren noch „kurz weitertippt“ missachtet das Verbot, weil das mehr als eine kurze Blickabwendung vom Verkehrsgeschehen ist (OLG Köln vom 14.2.2019).
Handy auf dem Armaturenbrett und Videotelefon
Auch wenn man das Handy auf das Armaturenbrett stellt und die Videotelefonier-Funktion nutzt, ist das verboten, weil man hierzu länger als kurz wegblickt vom Verkehrsgeschehen (AG Magdeburg vom 20.8.2018).
Smartphone horizontal zum Filmen gehalten
Wer ein Smartphone deutlich horizontal in Richtung eines Unfalls hält, der benutzt sein Handy auch, indem er filmt oder fotografiert (AG Castop-Rauxel vom 29.1.2019).
Bloßes in die Hand nehmen ist nicht verboten
Mittlerweile sind sich die Oberlandesgerichte auch einig, dass das bloße in die Hand nehmen eines Handys noch nicht verboten ist, so lange man es nicht irgendwie auch noch benutzt (OLG Oldenburg vom 17.4.2019). Also ist es nicht verboten, das Handy zu verlegen, z.B. um etwas Wegzuräumen.
Fahrverbot nach Handyverstoß?
Wer bereits Punkte in Flensburg hat, der kann bei einem Handyverstoß auch dann ein Fahrverbot wegen Beharrlichkeit bekommen, wenn die alten Punkte wegen anderer Verstöße eingetragen wurden. (Bayerisches Oberstes Landesgericht vom 22.03.2019) Das Gefährdungspotential beim Handyverstoß ist so hoch, dass dieser letztlich nur zufällig folgenlos bleibt und deshalb ein Fahrverbot gerechtfertigt ist.
Taschenrechner als Kommunikationsgerät?
Ob ein Taschenrechner auch nach neuem Recht ein elektronisches Gerät im Sinne von § 23 Abs. 1a der StVO ist, fragt das OLG Hamm beim OLG Oldenburg an (Beschluss vom 18.06.2019). Uneinig sind sich die Oberlandesgerichte derzeit, ob dieser ein Gerät ist, das der Information oder Kommunikation dient. Möglicherweise muss das noch der Bundegerichtshof klären.
Leuchtendes Display als Verstoß
Wer ein Mobiltelefon mit der rechten Hand vor dem Oberkörper hält und dabei das Display mit rot leuchtendem Punkt zum Oberkörper zeigt, der begeht einen Handyverstoß, auch wenn keine Sprechbewegungen nachweisbar sind (KG vom 14.8.2019)
Quelle: ADAC